Artikel im Prignitzer vom 26.Oktober:

Seit dem Jahre 1896 hat Perleberg eine Rarität von Rang und Namen. Die Rede ist von dem Jugendstil- Wandfliesenbild, das heute noch in der einstigen Fleischerei und späteren Gastlichkeit in der Poststraße/Ecke Großer Markt zu sehen ist. Jenes und ein weiteres, das in einem Milchgeschäft in Dresden seinen Platz fand, waren 1897 auf der Weltausstellung in Brüssel zu sehen.

Seit Frühjahr 2017 war es jedoch merklich still in und um dieses architektonische Kleinod im Herzen der Stadt geworden, das der GWG Wohnungsgesellschaft gehört. Die Gastlichkeit musste schließen. Der Grund: Die hölzernen, mit Gips ummantelten schmalen Verstrebungen, die die historische Raumdecke aus quadratischen Milchglasscheiben und einen umlaufenden farbigen Fries tragen, waren vom Zahn der Zeit arg gezeichnet. Die Decke musste restauratorisch komplett saniert werden. Ein weiteres Desiderat, wie die Denkmalschützer einen Mangel bezeichnen, der beseitigt werden musste, ist der Rückbau der modernen Lichtschienen, die einst willkürlich über die gestalteten Platten gelegt wurden.
Inzwischen sind die Handwerker hier bereits am Wirken, verhelfen dem Kleinod behutsam und mit denkmalschützerischem Geschick zu neuem Charme. Andreas Walter von der gleichnamigen Berliner Glaswerkstatt, unterstützt von drei Kollegen, gibt der historischen Decke ihre einmalige Schönheit zurück. Auch wenn die gelernten Glasmaler, die vor allem Kirchenfenster restaurieren, auf viel Erfahrung verweisen können, so ist die gläserne Decke in der einstigen Schlachterei dennoch etwas Besonderes, wie der Chef sagt. Viele handwerklich abweichende Tätigkeiten seinen gefordert unter anderem durch die gläsernen Rosetten und die Verleistung. Die Decke besteht aus handgefertigten Mich- und Gussgläsern. Anders als üblich, wurde hier auf Opazität, sprich das Gegenteil von Transparenz gesetzt. Weißes Milchglas und das Gussglas wurde rückseitig mit Silberfolie belegt, erläutert der Kunsthandwerker. Die Verleistung, wie der Fachmann sagt, ist an den Kreuzungspunkten in Rosetten angeschraubt. Die Schrauben selbst sind ebenfalls mit kleinen gläsernen Rosetten verziert. Also eine filigrane Arbeit, die zugleich viel handwerkliches Geschickt verlangt.

In der Berliner Werkstatt wurden fehlende Rosetten und entsprechende Gläser möglichst originalgetreu nach- und für den Einbau vorgefertigt, die nun direkt wieder an die Schalung genagelt werden. Auch das sei eine Besonderheit.

Zwei Tage, dann haben die Berliner Kunsthandwerker, die eine spezielle Fachgruppe in der Glaserinnung sind, den Großteil der Arbeit geschafft. Fertig ist dann aber noch nicht alles für den neuen „Hausherren“. Denn auch elektrotechnisch wird das historische Vorbild möglichst wieder nachempfunden und soll zu- gleich heutigen Ansprüchen gerecht werden. Mit dem neuen Jahr soll sich hier dann wieder die Ladentür öffnen, wie Ralf Meierholz sagt. Mit seinem Raffinarium wird er hier einziehen. „Ich denke, es passt.“ Schließlich verkaufe er Lebensmittel. Im Ladengeschäft soll so auch künftig die bisherige Palette angeboten und verkauft werden. Der größere Raum im hinteren Bereich wolle er für die Verkostungsabende nutzen. Küche, Lagerraum und neue Sanitäranlage – „alles da“, so der neue Inhaber. Dazu die Top-Lage zum Großen Markt, der guten Stube der Stadt. „Fest stand, wir wollten dieses Kleinod erhalten“, betont Ronald Otto, Geschäftsführer der GWG Wohnungsgesellschaft. Im dritten Anlauf auf finanzielle Unterstützung, dieses Mal an die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz gerichtet, klappte es schließlich. Die Zusage über 10 000 Euro. Damit allein ist das natürlich nicht getan. „Wir rechnen mit einer Summe von um die 25 000 Euro“, überschlägt Otto. Denn im Ladengeschäft stehen noch einige Arbeiten an.